Stadtbericht

Rostock

Allein bei der reinen Urnenwahl – ohne Briefwähler – liegen in Rostock über 27 Prozentpunkte zwischen dem wählerstärksten und wählerschwächsten Stadtbereich. Die demokratische wird dabei von einer sozialen Spaltung begleitet: in den Nichtwählerhochburgen finden sich rund siebenmal so viele Haushalte aus sozial benachteiligten Milieus wie in den Wählerbastionen, über doppelt so viele Menschen sind ohne Schulabschluss. Die Arbeitslosigkeit liegt bis zu sechsmal so hoch.

Mit 67,2 Prozent lag die Wahlbeteiligung in der Stadt Rostock unter dem Bundesdurchschnitt (71,5). Darüber hinaus verbirgt sich auch in Rostock hinter dem gesamtstädtischen Durchschnittswert eine stark ausgeprägte soziale Ungleichheit bei der Wahlbeteiligung, obwohl für diese Studie nur die Urnenwähler berücksichtigt werden konnten. Die Urnenwahlbeteiligung lag in Rostock im Schnitt bei 53,0 Prozent. Eine Einbeziehung der Briefwähler hätte – wie die entsprechenden Analysen anderer Großstädte zeigen – die soziale Spaltung der Wählerschaft noch verschärft. Insgesamt zeigt sich auch für Rostock: Während in gut situierten Stadtvierteln nach wie vor überdurchschnittlich viele Menschen ihr Wahlrecht wahrnehmen, sind die sozial schwächeren Stadtviertel die Hochburgen der Nichtwähler.

  • Dierkow-Neu 43,4%
    Biestow 70,5%

  • Schmarl 43,6%
    Gartenstadt/Stadtweide 65,3%

  • Rostock – Gesamtstadt 53%
    Südstadt 54,9%

Wo die Nichtwähler wohnen ...

Am niedrigsten lag die Urnenwahlbeteiligung mit 43,4 Prozent im Plattenbaugebiet Dierkow-Neu. Gut zwei Drittel der Haushalte entstammen den sozial benachteiligten Milieus, allein den Hedonisten sind rund 37 Prozent zuzurechnen. Neben einer dünnen Mittelschicht sind die sozial privilegierten Milieus kaum vertreten. Der Anteil der Personen ohne Schulabschluss übersteigt jenen der Hochschulreife klar, in rund zwei von drei Haushalten dominieren Haupt- und Realschulabschlüsse. Von Arbeitslosigkeit sind rund 15 von 100 Erwerbsfähigen betroffen – einer der höchsten Werte in Rostock. In Sachen Bebauung dominieren überwiegend große Wohnblöcke das Bild, kleinere Eigenheime sind kaum vorhanden.

Sehr ähnlich stellt sich die Lage im ebenfalls von DDR-Neubauten geprägten Rostock-Schmarl dar. Hier gaben 43,6 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme direkt im Wahllokal ab. Zwei Fünftel der Haushalte werden hier zu den Prekären gezählt, unter Hinzunahme von Hedonisten und Traditionellen erreichen die wirtschaftlich schwächeren Milieus einen Anteil von über 70 Prozent. Das Bildungsprofil ähnelt dem Dierkower Muster sehr deutlich: überdurchschnittlich viele Haupt- und Realschulabschlüsse, zahlreiche fehlende Abschlüsse und selten Hochschulreife. Die Arbeitslosigkeit liegt auf hohem Niveau; ebenso wie der Anteil an Haushalten, der in großen Miets- und Hochhäusern angesiedelt ist: Rund neun von zehn Haushalten finden sich in den charakteristischen Plattenbauten.

… wo die Wählerhochburgen sind …

Nicht nur architektonisch liegen die Dinge im Stadtbereich Biestow völlig anders: Mit 70,5 Prozent liegt hier im äußersten Südwesten auch die reine Urnenwahlbeteiligung deutlich über dem städtischen Gesamtdurchschnitt. In der Milieuverteilung stechen Bürgerliche Mitte, Liberal-Intellektuelle und Sozialökologische mit dominanten Anteilen hervor: Insgesamt stellen sie bereits drei Viertel der Haushalte. Auch bei Betrachtung der verbleibenden Milieuanteile bietet sich das Bild eines Wohnviertels der mittleren bis gehobenen Schichten. Die allgemeine Hochschulreife ist hier fast ebenso häufig wie der Realschul- und Hauptschulabschluss vertreten. Die Arbeitslosigkeit liegt unter zwei Prozent und damit im Bereich der Vollbeschäftigung. Das Straßenbild ist hauptsächlich von privaten Ein- bis Zweifamilienhäusern und kleineren Mehrparteienhäusern geprägt.

Mit gewissem Abstand auf den Spitzenreiter weist auch der Stadtbereich Gartenstadt/Stadtweide mit 65,3 eine hohe Urnenwahlbeteiligung auf. Das größte Milieu stellt hier die Bürgerliche Mitte mit rund zwei Fünfteln aller Haushalte; den Milieus der Performer und der Liberal-Intellektuellen kann gemeinsam gut ein weiteres Drittel zugeordnet werden. Unter den sozial benachteiligten Milieus kommen lediglich die Prekären über die Marke von fünf Prozent hinaus. Die Verteilung der Schulabschlüsse ähnelt stark den überdurchschnittlichen Biestower Verhältnissen. Auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter errechnen sich hier niedrige drei Arbeitslose, die durchschnittliche Haushaltskaufkraft zählt zu den Rostocker Spitzenwerten. Einmal mehr herrschen auch in diesem Stadtbereich private Eigenheime und kleinere Wohnbauten vor.

… und wo die Wahlbeteiligung im Durchschnitt liegt

Im Rostocker Durchschnitt liegt dagegen die Urnenwahlbeteiligung in der Südstadt. Hier machten rund 54,9 Prozent der Wahlberechtigten ihr Kreuz in der Wahlkabine. In der Milieuanalyse fällt sofort die herausragende Stellung der Bürgerlichen Mitte auf, welcher nahezu die Hälfte der Haushalte vor Ort zuzurechnen sind. Neben diesem starken Zentrum sind nur noch die Prekären (rund 19 Prozent) sowie die Pragmatisch-Adaptiven (knapp neun Prozent) als größere Milieus zu nennen.

Auch die Anteile der verschiedenen Schulabschlüsse liegen hier jeweils zwischen den Extremwerten: Die knapp ein Viertel aller Haushalte mit allgemeiner und Fachhochschulreife werden ergänzt durch gut zwei Drittel aller Haushalte mit Haupt- und Realschulabschlüssen. Der Großteil der Haushalte ist in größeren Wohnhäusern oder -blöcken wohnhaft.

Fazit

Die Wahlbeteiligung ist in Rostock – wie in allen anderen untersuchten Großstädten Deutschlands – sozial gespalten. Während in sozial besser situierten Stadtteilen überdurchschnittlich viele Menschen ihr Wahlrecht ausüben,

ziehen sich in den ökonomisch schwächeren Vierteln viele Menschen aus der demokratischen Teilhabe zurück. Das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013 ist deshalb auch in Rostock, gemessen an der Sozialstruktur der Bevölkerung, nicht repräsentativ.