Stadtbericht
Magdeburg
Schon die reine Urnenwahl in den Magdeburger Stadtteilen zeigt, wie viel häufiger in bessergestellten und wie viel seltener in unterprivilegierten Wohngegenden gewählt wird. Wo die Wahllokale am Wahltag besonders leer blieben, entstammen rund viermal so viele Haushalte ökonomisch schwachen Milieus als in Gebieten mit ausgelasteten Wahlkabinen. Schulabschüsse fehlen doppelt so oft, die Arbeitslosigkeit beträgt das Vierfache.
Mit 63,7 Prozent lag die Wahlbeteiligung in der Stadt Magdeburg deutlich unter dem Bundesdurchschnitt (71,5). Darüber hinaus verbirgt sich in Magdeburg hinter dem gesamtstädtischen Durchschnittswert eine stark ausgeprägte soziale Ungleichheit bei der Wahlbeteiligung, obwohl für diese Studie nur die Urnenwähler berücksichtigt werden konnten. Eine Einbeziehung der Briefwähler hätte – wie die entsprechenden Analysen anderer Großstädte zeigen – die soziale Spaltung der Wählerschaft noch verschärft. Insgesamt zeigt sich auch für Magdeburg: Während in gut situierten Stadtvierteln nach wie vor überdurchschnittlich viele Menschen ihr Wahlrecht wahrnehmen, sind die sozial schwächeren Stadtviertel die Hochburgen der Nichtwähler.
Wo die Nichtwähler wohnen ...
Am niedrigsten lag die Urnenwahlbeteiligung mit 41,7 Prozent im Stadtteil Fermersleben. Die Wohngegend weist ein stark unterprivilegiertes Profil auf: Nahezu 70 Prozent der Haushalte sind hier Milieus der Hedonisten und Prekären zugehörig; hinzu kommt gut ein Zehntel an ebenfalls ökonomisch schwachen Traditionellen. Das verbleibende Fünftel der Haushalte ist Vertretern der Mittelschicht zuzurechnen; die wirtschaftlich stärkeren Milieus sind faktisch nicht vertreten. In Sachen Bildung fällt ein weit unterdurchschnittlicher Anteil der Hochschulreife mit zahlreichen Menschen ohne Abschluss zusammen; eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Haushalte wird von einfachen und mittleren Abschlüssen geprägt. Die Zahl der Arbeitslosen liegt hier höher als in fast allen anderen Stadtteilen, hingegen ist die Haushaltskaufkraft für Magdeburger Verhältnisse unterdurchschnittlich. In Fermersleben leben die Menschen hauptsächlich in Mehrparteienhäusern unterschiedlichster Größe.
Sehr ähnlich sehen die Verhältnisse im ehemaligen DDR-Neubaugebiet Neu Olvenstedt aus. Zwar lag hier die Urnenwahlbeteiligung mit 44,2 Prozent etwas höher, die geschätzte geringe Zahl an Briefwählern lässt jedoch eine ebenfalls sehr niedrige Gesamtbeteiligung vermuten. Fast vier von fünf Haushalten gehören hier den materiell schlechter gestellten Milieus an; neben einer dünnen Mittelschicht haben Haushalte aus Milieus wie den Konservativ-Etablierten oder Liberal-Intellektuellen hier Seltenheitswert. Von dem in Fermersleben festgestellten Verteilungsmuster der Schulabschlüsse weicht der Stadtteil Neu Olvenstedt nur in kleinen Details ab: Der Anteil der Menschen ohne Schulabschluss (18 Prozent) ist deutlich höher als der Anteil der Einwohner mit Hochschulreife. Auf 100 Menschen im erwerbsfähigen Alter zählt man hier annähernd 17 Erwerbslose. Hierzu passt eine Kaufkraft auf niedrigstem Niveau. Zudem ist im Plattenbaugebiet bald jeder zweite Haushalt in großen Wohnblöcken bis hin zu Hochhäusern angesiedelt; die restlichen Haushalte verteilen sich zumeist auf größere Mehrparteienhäuser.
Wenngleich in abgeschwächter Form, lässt sich auch in Stadtteilen wie der Neuen Neustadt oder Sudenburg das Muster aus niedriger Urnenwahlbeteiligung und schwierigen Lebensverhältnissen erkennen.
… wo die Wählerhochburgen sind …
In Pechau zeigt sich hingegen ein anderes Bild: Hier liegt allein die Urnenwahlbeteiligung mit 63,5 Prozent auf Augenhöhe mit der Magdeburger Gesamtbeteiligung. Jeder zusätzliche Briefwähler hievt den Stadtteil somit weiter über den Schnitt. Die Liberal-Intellektuellen stellen hier bereits über ein Drittel der Haushalte; gemeinsam mit Konservativ-Etablierten und Performern verfügen die drei ökonomisch stärksten Milieus über eine klare Mehrheit. Ein weiteres Viertel an Bürgerlicher Mitte und einige Sozialökologische ergänzen die breite Vormachtstellung der mittleren und oberen Schichten; sie marginalisieren die rund 15 Prozent an wirtschaftlich schwächeren Milieus. Mit über 30 Prozent liegt der Anteil der Hochschulreife hier doppelt so hoch, der Anteil fehlender Abschlüsse nur gut halb so hoch wie in Fermersleben oder Neu Olvenstedt. Die Arbeitslosigkeit beträgt nur wenige Prozentpunkte, die Kaufkraft je Haushalt liegt weit über dem städtischen Schnitt. Rund 80 Prozent der Haushalte findet man hier in privaten Ein- bis Zweifamilienhäusern.
Auch im unmittelbar an der Elbe gelegenen Prester gab es am 22. September 2013 eine hohe Wahlbeteiligung: 61,7 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab. Nur um wenige Prozentpunkte verfehlen die drei ökonomisch stärksten Milieus hier die absolute Mehrheit der Haushalte; dagegen stellt die Bürgerliche Mitte mit rund drei von zehn Haushalten das größte Einzelmilieu. Neben knapp einem weiteren Zehntel an Sozialökologischen entfällt auf Prekäre, Hedonisten und Traditionelle ein Anteil von lediglich elf Prozent. Die (Fach-)Abiturquote liegt in Prester ähnlich hoch wie in Pechau. Der Anteil der Arbeitslosen auf 100 Erwerbsfähige liegt sogar unter drei Prozent, zudem erreicht die Haushaltskaufkraft städtische Höchstwerte. Gut vier von fünf Haushalten sind in Privathäusern angesiedelt.
Auch in anderen besser situierten Stadtteilen wie Diesdorf oder Magdeburg-Nordwest lag die Urnenwahlbeteiligung auf sehr hohem Niveau.
… und wo die Wahlbeteiligung im Durchschnitt liegt
Recht nah an der durchschnittlichen Urnenwahlbeteiligung in den Stadtteilen liegt das Stadtfeld-Ost, wo 52,4 Prozent der Wahlberechtigten am Wahlsonntag ihre Stimme abgaben. An vielfältigen Milieus mangelt es hier nicht: Sowohl Konservativ-Etablierte, Performer, Expeditive, Pragmatisch-Adaptive als auch Traditionelle sind hier jeweils zweistellig vertreten.
Lediglich die Liberal-Intellektuellen und die Prekären liegen unterhalb der Schwelle von fünf Prozent. Der Anteil der Menschen mit Hochschulreife beträgt hier ein Fünftel, zwölf Prozent der Bewohner haben keinen Schulabschluss. Rund sieben von 100 Erwerbsfähigen sind in Stadtfeld-Ost ohne bezahlte Arbeit, die Kaufkraft ist im Magdeburger Mittelfeld angesiedelt. Die Mehrheit der Menschen lebt in urbanen Altbauten, großen Mehrparteienhäusern und Wohnblöcken.
Fazit
Die Wahlbeteiligung ist auch in Magdeburg – wie in allen anderen untersuchten Großstädten Deutschlands – sozial gespalten. Während in sozial besser situierten Stadtteilen überdurchschnittlich viele Menschen ihr Wahlrecht ausüben,
ziehen sich in den ökonomisch schwächeren Vierteln viele Menschen aus der demokratischen Teilhabe zurück. Das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013 ist deshalb auch in Magdeburg, gemessen an der Sozialstruktur der Bevölkerung, nicht repräsentativ.