Stadtbericht

Hamburg

Die demokratische Schere von über 30 Prozentpunkten zwischen der Wahlbeteiligung in Rothenburgsort und Lemsahl-Mehlingstedt wird noch übertroffen von der sie begleitenden sozialen Spaltung: in den wählerschwächsten Stadtteilen Hamburgs gehören 36-mal mehr Haushalte den sozial benachteiligten Milieus an als in den wählerstärksten. Die Zahl der Menschen ohne Schulabschluss ist doppelt so hoch, die Arbeitslosigkeit erreicht den fünffachen Wert.

Mit 70,3 Prozent lag die Wahlbeteiligung in Hamburg leicht unter dem Bundesdurchschnitt (71,5). Darüber hinaus verbirgt sich auch in Hamburg hinter dem gesamtstädtischen Durchschnittswert eine erhebliche soziale Ungleichheit bei der Wahlbeteiligung. Während in gut situierten Stadtvierteln nach wie vor überdurchschnittlich viele Menschen ihr Wahlrecht wahrnehmen, sind die sozial schwächeren Stadtviertel die Hochburgen der Nichtwähler.

  • Rothenburgsort 53,3%
    Lemsahl-Mellingstedt 86,9%

  • Jenfeld 54,2%
    Nienstedten 86,9%

  • Hamburg – Gesamtstadt 70,3%
    Langenhorn 70,6%

Wo die Nichtwähler wohnen ...

Weit unterdurchschnittlich war die Wahlbeteiligung im Stadtteil Rothenburgsort, wo mit 53,3 Prozent nur knapp mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten ihre Stimme abgab. Rund drei von vier Haushalten lassen sich den Milieus der Traditionellen, der Prekären und der Hedonisten zuordnen, allein Letztere dominieren mit 43,7 Prozent klar die Bevölkerungsstruktur. Die wirtschaftlich stärkeren Milieus machen im Gegenzug nicht einmal drei Prozent der Haushalte aus. Jeder Sechste hat keinen Schulabschluss und auch nur etwa dieselbe Anzahl beendet die Schule mit der (Fach-)Hochschulreife. Im Schnitt sind etwa neun von 100 Erwerbsfähigen arbeitslos gemeldet. Das Stadtbild ist geprägt von größeren Miets- und Hochhäusern, die nahezu jeden zweiten Haushalt des Viertels beherbergen, während umgekehrt kleinere Ein- bis Zweifamilienhäuser nur im einstelligen Prozentbereich vertreten sind.

Der Stadtteil Jenfeld weist mit 54,2 Prozent nur eine geringfügig höhere Wahlbeteiligung als Rothenburgsort auf. Dementsprechend stark ähneln sich auch die Milieu- und Sozialstrukturen beider Viertel. In Jenfeld stellen die sozial prekären Milieus rund zwei Drittel aller Haushalte, allein ein Drittel entfällt hierbei auf die Hedonisten. Etwas stärker vertreten sind die oberen Schichten, die immerhin ein Zehntel der Gesamthaushalte ausmachen.

Genau wie in Rothenburgsort prägen ein besonders niedriges Bildungsniveau (20 Prozent (Fach-)Abitur, 14 Prozent ohne Abschluss) sowie eine hohe Arbeitslosendichte (neun Prozent) den Stadtteil. Auch die Bebauungsstruktur ähnelt stark dem zuerst betrachteten Viertel – auffällig ist jedoch der überdurchschnittlich hohe Anteil an Ein- bis Zweifamilienhäusern (fast 20 Prozent) bei dennoch gleichbleibender Dominanz von Wohnhäusern mit mehr als zehn Parteien.

Auch in anderen Stadtteilen mit unterdurchschnittlicher Urnenwahlbeteiligung – wie etwa Billstedt, Kleiner Grasbrook oder Wilhelmsburg – zeigen sich ähnliche soziale Probleme, wenn auch teilweise mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Ausprägungen bei den einzelnen Indikatoren (vgl. dazu die Tabelle im Anhang dieses Stadtberichts).

… wo die Wählerhochburgen sind …

Ein völlig anderes Bild ergibt sich am oberen Ende der Skala in den Stadtteilen mit Hamburgs höchster Wahlbeteiligung. In Lemsahl-Mellingstedt gaben 86,9 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Gut vier von fünf Haushalten lassen sich den Konservativ-Etablierten, den Liberal-Intellektuellen oder den Performern zuordnen. Erstere stellen dabei mit über 50 Prozent der Haushalte die klare Mehrheit. Die sozial prekären Milieus hingegen sind überhaupt nicht vertreten. Ein Vergleich der Bildungsabschlüsse spiegelt die unterschiedlichen Lebenswelten ebenfalls sehr deutlich wider: Nahezu jeder Zweite verfügt über die (Fach-)Hochschulreife, die damit den vorherrschenden Schulabschluss darstellt. Demgegenüber kann nur rund jeder Zwanzigste keinen Schulabschluss vorweisen, was lediglich einem Drittel der Werte aus Rothenburgsort oder Jenfeld entspricht. Mit unter zwei Prozent liegt die Arbeitslosigkeit im Bereich der Vollbeschäftigung, während gleichzeitig die Kaufkraft mit über 60.000 Euro pro Haushalt zu einer der höchsten Hamburgs zählt. Einem Anteil von rund 70 Prozent Ein- bis Zweifamilienhäusern stehen weniger als fünf Prozent an größeren Miets- und Hochhäusern gegenüber.

Der Elbvorort Nienstedten weist ebenfalls eine Wahlbeteiligung von 86,9 Prozent auf und teilt sich daher mit Lemsahl-Mellingstedt den Spitzenplatz in Hamburg. Auch hier sind die sozial prekären Milieus quasi nicht repräsentiert und es überwiegen klar die ökonomisch stärksten Milieus: Rund neun von zehn Haushalten lassen sich diesen Milieus der Oberschicht zuordnen. Am häufigsten vertreten sind die Performer, die alleine rund 40 Prozent aller Haushalte ausmachen. Die Bildungsstruktur passt zu den im Stadtteil dominierenden oberen Schichten und gleicht der Struktur in Lemsahl-Mellingstedt bis ins Detail. Extrem niedrige Arbeitslosenzahlen, eine hohe Kaufkraft und ein von Ein- bis Zweifamilienhäusern geprägtes Stadtbild runden den Eindruck eines gut situierten Viertels der privilegierten Oberschicht ab.

Stark oder zumindest in einzelnen Aspekten vergleichbare soziale Lebensverhältnisse zeigen sich in Stadtteilen mit ebenfalls überdurchschnittlich hoher Wahlbeteiligung, wie in Groß Flottbeck, Wohldorf-Ohlstedt oder Blankenese.

… und wo die Wahlbeteiligung im Durchschnitt liegt

Mit 70,6 Prozent Wahlbeteiligung liegt der Stadtteil Langenhorn ziemlich genau im Hamburger Durchschnitt. Ähnliches lässt sich auch über seine Milieustruktur sagen, in der keine bestimmte Gruppe dominiert: Knapp ein Viertel der Haushalte entfällt auf die gehobenen Milieus, jeweils gut ein Drittel lässt sich dem bürgerlichen Mainstream bzw. den sozial benachteiligten Milieus zuordnen. Auch der Blick auf das Bildungsniveau zeigt einen gemischten Stadtteil:

Die (Fach-)Abiturquote ist längst nicht so hoch wie in Lemsahl-Mellingstedt oder Nienstedten, liegt mit mehr als 25 Prozent aber dennoch deutlich über den Werten von Rothenburgsort und Jenfeld. Der Anteil der Menschen ohne Schulabschluss liegt bei mittleren zehn Prozent. Mit 6 von 100 Erwerbsfähigen ist nur ein durchschnittlicher Anteil an Bewohnern von Arbeitslosigkeit betroffen. Eine gemischte Bebauungsstruktur mit einem leichten Hang zu Ein- bis Zweifamilienhäusern (knapp unter 40 Prozent) komplettiert den Eindruck eines Hamburger Durchschnittsviertels.

Fazit

Die Wahlbeteiligung ist auch in Hamburg – wie in allen anderen untersuchten Großstädten Deutschlands – sozial gespalten. Während in sozial besser situierten Stadtteilen überdurchschnittlich viele Menschen ihr Wahlrecht ausüben,

ziehen sich in den ökonomisch schwächeren Vierteln viele Menschen aus der demokratischen Teilhabe zurück. Das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013 ist deshalb auch in Hamburg, gemessen an der Sozialstruktur der Bevölkerung, nicht repräsentativ.