Stadtbericht
Dresden
28 Prozentpunkte beträgt die Kluft in der demokratischen Teilhabe zwischen Prohlis-Süd und Loschwitz/Wachwitz. In den wählerschwächsten Stadtteilen entstammen rund dreimal so viele Haushalte ökonomisch schwächeren Milieus als in den Wählerbastionen, doppelt so viele Menschen können keinen Schulabschluss vorweisen. Die Arbeitslosigkeit ist viermal so hoch.
Mit 73,9 Prozent lag die Wahlbeteiligung in Dresden zwar leicht über dem Bundesdurchschnitt (71,5). Dennoch verbirgt sich auch in Dresden hinter dem gesamtstädtischen Durchschnittswert eine erhebliche soziale Ungleichheit bei der Wahlbeteiligung. Während in gut situierten Stadtvierteln nach wie vor überdurchschnittlich viele Menschen ihr Wahlrecht wahrnehmen, sind die sozial schwächeren Stadtviertel die Hochburgen der Nichtwähler.
Wo die Nichtwähler wohnen ...
Am geringsten lag die Wahlbeteiligung in Prohlis-Süd, wo nicht mehr als 55,3 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgaben. Der wirtschaftlich schwache Stadtteil wird von den Milieus der Hedonisten und Prekären geprägt, welche zusammen gut die Hälfte der Haushalte stellen. Hinzu kommt rund ein Zehntel an Traditionellen; etwa ein Viertel der Haushalte entfällt auf einen gesellschaftlichen Mittelbau aus Bürgerlicher Mitte, Pragmatisch-Adaptiven und Sozialökologischen. Lediglich knapp jeder Achte ist den privilegierten Milieus der Konservativ-Etablierten, Liberal-Intellektuellen oder der Performer zuzurechnen. Rund zwei Drittel der Personen erwarben ihren Abschluss an Haupt- und Realschulen, nur knapp ein Fünftel verfügt über Fach- oder allgemeine Hochschulreife – ähnlich viele Menschen haben hier überhaupt keinen Abschluss. Fast ein Fünftel der Personen im erwerbsfähigen Alter ist zudem ohne Arbeit, was dem Dresdner Höchstwert entspricht. Das Stadtbild wird von Plattenbauten bzw. Mietsblöcken geprägt, die neun von zehn Haushalten beherbergen.
Mit Abstrichen ist die Situation in Gorbitz-Süd ähnlich prekär: Nur 57,7 Prozent der Wahlberechtigten machten bei der Bundestagswahl ihr Kreuz. Auch hier sind die Angehörigen der wirtschaftlich schwächeren Milieus mit gut zwei Dritteln in der Mehrheit. Vertreter der mittleren Milieus kommen gemeinsam auf gut ein Fünftel der Haushalte; die ökonomisch Stärkeren stellen allenfalls rund ein Zehntel aller Haushalte. Die Verteilung der Bildungsabschlüsse erinnert stark an das Muster aus Prohlis-Süd: Zwei Dritteln einfacher bzw. mittlerer Abschlüsse sowie einer zweistelligen Prozentzahl von Personen ohne Abschluss steht eine kleine Minderheit an (Fach-)Hochschulreifen gegenüber. Auf 100 Menschen im erwerbsfähigen Alter kommen über 16 Arbeitslose. Die Mehrzahl der Haushalte liegt in großen Wohn- und Mietsblöcken.
Vergleichsweise niedrig war die Wahlbeteiligung in den ebenfalls sozial schlechter gestellten Stadtteilen Gorbitz-Ost, Friedrichstadt oder Prohlis-Nord.
… wo die Wählerhochburgen sind …
Die Situation in Loschwitz/Wachwitz hingegen könnte unterschiedlicher kaum sein. Nicht nur nahmen hier unübertroffene 83,3 Prozent der Wahlberechtigten an der Bundestagswahl teil, auch die soziale Lage und die Milieuzugehörigkeit der Menschen ist eine völlig andere: Allein 40 Prozent der Haushalte sind den Liberal-Intellektuellen zuzuordnen, gemeinsam mit Konservativ-Etablierten und Performern stellen die materiell begünstigten Milieus mehr als sieben von zehn Haushalten. Die restlichen Anteile entfallen relativ gleichmäßig auf die Milieus der Mitte, während die andernorts dominanten Milieus der Hedonisten, Prekären und Traditionellen keine Rolle spielen. Hohe 45 Prozent der Bevölkerung besitzen die (Fach-)Hochschulreife, während Real- und Hauptschulabschlüsse die vielerorts in Dresden selbstverständliche absolute Mehrheit verfehlen. Die Arbeitslosigkeit liegt am untersten Ende der Dresdener Bandbreite, die Kaufkraft pro Haushalt liegt über der hohen Marke von 50.000 Euro. Dazu ist der Großteil der Haushalte in Privathäusern bis hin zu mittleren Mehrparteienhäusern angesiedelt.
Auch im angrenzenden Stadtteil Bühlau/Weißer Hirsch hängen Wahlbeteiligung und soziale Lage eng zusammen: Mit 83,2 Prozent liegt die Beteiligung auf Rekordniveau. Auch hier dominieren die Liberal-Intellektuellen vor den Konservativ-Etablierten, Performern und der Bürgerlichen Mitte mit je gut einem Achtel der Haushalte. Die wirtschaftlich schwächeren Milieus kommen gemeinsam nur knapp über die Zehn-Prozent-Marke hinaus. Wie in Loschwitz/Wachwitz ist das Bildungsprofil akademisch geprägt: Mehr als 40 Prozent Hochschulreife treffen auf rund 50 Prozent Real- und Hauptschulabschlüsse. Zwar liegt die Arbeitslosigkeit etwas höher und die Kaufkraft niedriger als im Nachbarstadtteil; das Stadtbild wird jedoch ebenso von Ein- bis Zweifamilienhäusern und kleineren bis mittleren Mehrfamilienhäusern dominiert.
Eine sehr hohe Wahlbeteiligung bei zugleich starker Sozialstruktur liegt auch in Stadtteilen wie Gompitz/Altfranken, Gönnsdorf/Pappritz oder Plauen vor.
… und wo die Wahlbeteiligung im Durchschnitt liegt
Im Dresdner Durchschnitt liegt wiederum der Stadtteil Naußlitz mit seiner Wahlbeteiligung von 74,4 Prozent. Hinsichtlich der Milieus ergibt sich hier ein äußerst heterogenes Bild, in dem die Liberal-Intellektuellen und Prekären mit 15 bzw. 17 Prozent gemeinsam die stärksten Anteile stellen. Ansonsten ist in Naußlitz jedes der zehn Milieus mit einem Mindestanteil von fünf Prozentpunkten vertreten. Weiterhin kommen auf 28 Prozent Hochschulreife knapp über 60 Prozent Real- und Hauptschulabschlüsse.
Die Arbeitslosigkeit liegt halbwegs im Dresdener Mittelfeld, die Kaufkraft je Haushalt bei mittleren 35.000 Euro. Bei der Bebauung liegen die mittleren Mehrparteienhäuser vor den Ein- und Zweifamilienhäusern und den ebenso vorhandenen Wohnblöcken und Hochhäusern.
Recht durchschnittlich fiel die Wahlbeteiligung beispielsweise auch in Löbtau-Süd oder Johannstadt-Süd aus; beide Stadtteile weisen ebenfalls ein ausgeglichenes Sozialprofil auf.
Fazit
Die Wahlbeteiligung ist auch in Dresden – wie in allen anderen untersuchten Großstädten Deutschlands – sozial gespalten. Während in sozial besser situierten Stadtteilen überdurchschnittlich viele Menschen ihr Wahlrecht ausüben,
ziehen sich in den ökonomisch schwächeren Vierteln viele Menschen aus der demokratischen Teilhabe zurück. Das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013 ist deshalb auch in Dresden, gemessen an der Sozialstruktur der Bevölkerung, nicht repräsentativ.