Stadtbericht
Mainz
Trotz hohem Gesamtdurchschnitt ist die Spreizung der Wahlbeteiligung in der Gutenberg- und Medienstadt eklatant: gut 28 Prozentpunkte liegen zwischen den Stadtteilen Mombach und Drais. Eine Spaltung, die auch durch unterschiedliche soziale Wirklichkeiten zementiert wird: in den wahlmüden Stadtteilen zählen rund siebenmal so viele Haushalte zu den sozial benachteiligten Milieus, dreimal so viele Menschen sind arbeitslos.
Mit 75,5 Prozent lag die Wahlbeteiligung in Mainz zwar deutlich über dem Bundesdurchschnitt (71,5). Dennoch verbirgt sich auch in Mainz hinter dem gesamtstädtischen Durchschnittswert eine erhebliche soziale Ungleichheit bei der Wahlbeteiligung. Während in gut situierten Stadtvierteln nach wie vor überdurchschnittlich viele Menschen ihr Wahlrecht wahrnehmen, sind die sozial schwächeren Stadtviertel die Hochburgen der Nichtwähler.
Wo die Nichtwähler wohnen ...
In Mombach und dem angrenzenden Neustadt lag die Wahlbeteiligung sogar unter dem Bundesdurchschnitt. Die soziale Wirklichkeit dieser beiden Stadtteile unterscheidet sich erheblich vom Rest der Gutenberg- und Medienstadt Mainz.
In Mombach gaben lediglich etwa zwei von drei Wahlberechtigten ihre Stimme ab, was mit 67,7 Prozent dem niedrigsten Wert im Stadtgebiet Mainz entspricht. Doch nicht nur hinsichtlich der politischen Beteiligung findet sich Mombach am unteren Ende der Skala wieder: Mit rund zwei Dritteln ist hier der Anteil der sozial prekären Milieus an den Gesamthaushalten stadtweit am höchsten. Besonders ins Auge stechen die Traditionellen, zu denen in etwa ein Drittel der Haushalte gezählt werden kann. Auch die (Fach-)Abiturquote von nicht einmal 25 Prozent liegt deutlich unter dem Mainzer Durchschnitt, jeder Zehnte verfügt zudem über keinen einzigen Schulabschluss. Die Arbeitslosendichte liegt im höheren einstelligen Prozentbereich.
Mit 71,2 Prozent lag die Beteiligung im Stadtteil Neustadt zwar schon etwas höher, der Blick auf die Milieu- und Sozialstruktur zeigt aber auch hier einen vergleichbar benachteiligten Sozialraum. Fast 40 Prozent aller Haushalte entstammen dem Milieu der Hedonisten, insgesamt ist der Anteil der wirtschaftlich schwächeren Milieus fast genauso hoch wie in Mombach. Im Bildungssektor weist Neustadt sogar noch schlechtere Werte auf, nur etwa jeder Fünfte verfügt über einen zum Hochschulstudium berechtigenden Abschluss. Während der Anteil der Menschen ohne Schulabschluss größer ausfällt, liegt die Arbeitslosigkeit etwas unter dem für Mombach ermittelten Wert. Die Kaufkraft pro Haushalt überschreitet nur mit Mühe 30.000 Euro, was dem stadtweit schwächsten Wert entspricht. Große Miets- und Hochhäuser stellen nahezu drei Viertel der Bebauung des bevölkerungsreichsten Mainzer Stadtteils.
… wo die Wählerhochburgen sind …
Ganz anders dagegen präsentiert sich die Lage in Drais. Die Wahlbeteiligung lag bei 85,4 Prozent, was den flächenmäßig kleinsten Stadtteil zum Mainzer Spitzenreiter werden lässt. Zwei Drittel der Haushalte werden hier den ökonomisch stärkeren Milieus zugeordnet, von denen wiederum die Performer mehr als die Hälfte ausmachen. Der Anteil an (Fach-) Abiturienten erreicht fast die symbolträchtige Marke von 50 Prozent und übertrifft somit sogar die Haupt- und Realschulabschlüsse. Der Anteil an Menschen ohne Schulabschluss ist darüber hinaus niedriger als in allen anderen Mainzer Stadtteilen, statt von Arbeitslosigkeit könnte man ruhigen Gewissens auch von Vollbeschäftigung sprechen. Dementsprechend zählt auch die Kaufkraft in Drais mit über 50.000 Euro pro Haushalt zu den höchsten im Stadtgebiet. Ein sehr hoher Anteil an Ein- bis Zweifamilienhäusern unterstreicht den Eindruck eines besser situierten Viertels deutlich.
Direkt unterhalb von Drais liegt – nicht nur geographisch sondern auch hinsichtlich der Wahlbeteiligung – der Stadtteil Bretzenheim, in dem vier von fünf Wahlberechtigten ihre Stimme abgaben. Im viertgrößten Mainzer Stadtteil stellen die oberen Milieus die dominante Bevölkerungsgruppe (44 Prozent), auch wenn sie nicht ganz so stark vertreten sind wie in Drais. Dennoch ähnelt sich das Bildungsniveau beider Viertel: Der Anteil an Menschen ohne Schulabschluss ist geringfügig höher, (Fach-)Abiturienten machen mehr als 40 Prozent aller Schulabgänger aus. Die Arbeitslosigkeit liegt nur bei knapp über drei Prozent, der zweitbeste Mainzer Wert.
… und wo die Wahlbeteiligung im Durchschnitt liegt
Finthen, der westlichste Mainzer Stadtteil, liegt mit seiner Wahlbeteiligung von 75,0 Prozent ziemlich genau im städtischen Durchschnitt. Auch seine sozialräumlichen Merkmale entsprechen seinem Platz im Mittelfeld: Sowohl die ökonomisch stärkeren Milieus als auch die sozial benachteiligten Milieus stellen jeweils rund ein Drittel der Haushalte. Kein Einzelmilieu kann sich so recht von den anderen absetzen, mit gut 17 Prozent sind jedoch die Konservativ-Etablierten am stärksten vertreten.
Acht von 100 Menschen haben keinen Schulabschluss, das sind zwar etwas mehr als in Drais oder Bretzenheim, aber deutlich weniger als in Neustadt. Die (Fach-)Abiturquote sinkt im Vergleich zu den Spitzenreitern in Finthen auf etwa 36 Prozent. Die Arbeitslosigkeit ist hier signifikant höher und erreicht in etwa das Niveau von Neustadt. Die durchmischte Bebauung verstärkt den Eindruck eines durch und durch heterogenen Viertels.
Fazit
Die Wahlbeteiligung ist in Mainz – wie in allen anderen untersuchten Großstädten Deutschlands – sozial gespalten. Während in sozial besser situierten Stadtteilen überdurchschnittlich viele Menschen ihr Wahlrecht ausüben,
ziehen sich in den ökonomisch schwächeren Vierteln viele Menschen aus der demokratischen Teilhabe zurück. Das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013 ist deshalb auch in Mainz, gemessen an der Sozialstruktur der Bevölkerung, nicht repräsentativ.