Wahlbeteiligung
Berlin
Selbst unter den sehr großen Berliner Stadtbezirken ergibt sich ein Unterschied in der Wahlbeteiligung von fast 15 Prozent. Diese demokratische Spreizung hat ebenfalls eine stark soziale Dimension: in den wahlmüden Bezirken gibt es rund dreimal so viele Haushalte aus den sozial benachteiligten Milieus, nur halb so viele Abiturienten und doppelt so viele Menschen ohne Schulabschluss wie in den Wählerhochburgen.
Mit 72,5 Prozent lag die Wahlbeteiligung in der Bundeshauptstadt Berlin zwar leicht über dem Bundesdurchschnitt (71,5). Dennoch verbirgt sich auch in Berlin hinter dem gesamtstädtischen Durchschnittswert eine starke soziale Ungleichheit der Wahlbeteiligung. Obwohl für Berlin nur eine vergleichsweise grobe Stadtteilgliederung in zwölf Bezirke möglich war, zeigen sich auch hier deutliche Zusammenhänge zwischen dem sozialen Status eines Bezirks und der Höhe der Wahlbeteiligung.
Wo die Nichtwähler wohnen ...
Im Stadtbezirk Marzahn-Hellersdorf betrug die Wahlbeteiligung nur 65,1 Prozent, was dem niedrigsten Wert Berlins entspricht. Doch nicht nur hinsichtlich der Wählerquote bewegt sich Marzahn-Hellersdorf unter dem stadtweiten Durchschnitt: Über die Hälfte der ansässigen Haushalte gehören den ökonomisch schwächeren Milieus an. Das Milieu der Prekären stellt hierbei mit rund einem Viertel der Gesamthaushalte die größte Einzelgruppe dar. Der Anteil der Menschen ohne Schulabschluss ist im Bezirk überdurchschnittlich hoch (knapp 15 Prozent), während gleichzeitig der Anteil potenzieller Akademiker sehr niedrig ist (etwa 20 Prozent). Obwohl der Bezirk insgesamt hauptsächlich von großen Miets- und Hochhäusern geprägt ist, wohnt doch etwa ein Fünftel der Gesamthaushalte in kleinen Ein- bis Zweifamilienhäusern.
Ähnlich gestaltet sich die Lage auch im benachbarten Lichtenberg. Hier gaben bei der Bundestagswahl 2013 mit 67,4 Prozent aller Wahlberechtigten nur unwesentlich mehr Menschen ihre Stimme ab. Die soziale Lebenswirklichkeit ähnelt dem zuvor beschriebenen Marzahn-Hellersdorf: Allein ein Viertel aller Haushalte gehört dem Milieu der Prekären an; die sozial benachteiligten Milieus prägen auch hier das Gesamtbild. Entsprechend zeigt sich das Bildungsprofil, denn auch in Lichtenberg ist die (Fach-)Abiturquote niedrig (18 Prozent) und der Anteil an Menschen ohne Schulabschluss besonders hoch (14 Prozent). Große Wohnhäuser mit mehr als zehn Parteien beherrschen hier deutlich die Bebauung.
... wo die Wählerhochburgen sind ...
Im Westen Berlins hingegen erfährt man in den Bezirken mit einer überdurchschnittlich hohen Wahlbeteiligung auch eine andere soziale Lebenswirklichkeit. In Steglitz-Zehlendorf gaben rund vier von fünf Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Prägend sind hier vor allem die oberen Milieus, denen mehr als die Hälfte der Haushalte zugerechnet werden kann. Liberal-Intellektuelle und Konservativ-Etablierte stellen dabei jeweils etwa ein Fünftel, Performer knapp ein Sechstel der Gesamthaushalte. Die (Fach-)Abiturquote liegt mit über 35 Prozent fast doppelt so hoch wie in Lichtenberg und der Anteil der Menschen ohne Schulabschluss ist ebenfalls nur halb so groß (acht Prozent). Hinsichtlich der Kaufkraft erreicht Steglitz-Zehlendorf mit etwa 40.000 Euro pro Haushalt den Spitzenplatz in der Hauptstadt. Bei der Bebauung fällt der – insbesondere im Vergleich zu Lichtenberg – hohe Anteil an Ein- bis Zweifamilienhäusern auf.
In Charlottenburg-Wilmersdorf zeigte sich eine hohe Wahlbeteiligung: 76,6 Prozent der Wahlberechtigten nahmen an der Bundestagswahl 2013 teil. Besonders stark vertreten ist hier das Milieu der Performer, dem rund jeder vierte Haushalt im Bezirk zugerechnet werden kann. Die Mehrheit der Gesamthaushalte gehört in diesem Stadtteil zu den oberen Schichten. Die Verteilung der Bildungsabschlüsse gleicht bis ins Detail den Verhältnissen im südlichen Nachbarbezirk, rund 34 Prozent verfügen hier über einen zum Studium qualifizierenden Schulabschluss, nur neun Prozent verlassen die Schule ohne Abschluss. Die nach Steglitz-Zehlendorf zweithöchste Kaufkraft Berlins rundet den Eindruck eines sozial besser gestellten Bezirks ab.
... und wo die Wahlbeteiligung im Durchschnitt liegt
Mit einer Wählerquote von 73,0 Prozent liegt Reinickendorf sehr nahe am Berliner Beteiligungsdurchschnitt. Auch der Blick auf die Sozialindikatoren und Milieustruktur ergibt ein gemischtes, durchschnittliches Bild. Die sozial prekären Milieus sind zwar mit etwa 40 Prozent am stärksten vertreten, ihnen gegenüber steht jedoch eine breite Mischung ökonomisch stärkerer Milieus und Milieus des bürgerlichen Mainstreams. Die größten Einzelgruppen stellen hierbei die Bürgerliche Mitte und das Milieu der Konservativ-Etablierten dar.
Das Bildungsniveau bewegt sich ebenfalls zwischen den Extremen: Ein Viertel der Menschen verfügt über (Fach-)Abitur, nur noch jeder Achte hat überhaupt keinen Schulabschluss. Die Kaufkraft reicht bei Weitem nicht an die Werte in Steglitz-Zehlendorf oder Charlottenburg-Wilmersdorf heran, befindet sich aber im Berliner Durchschnitt. Das Straßenbild gestaltet sich zudem ausgeglichen: Ein Fünftel der Haushalte wohnt in Ein- bis Zweifamilienhäusern, etwa doppelt so viele leben in Mietshäusern mit über zehn Parteien.
Fazit
Die Wahlbeteiligung ist in Berlin – wie in allen anderen untersuchten Großstädten Deutschlands – sozial gespalten. Während in sozial besser situierten Stadtteilen überdurchschnittlich viele Menschen ihr Wahlrecht ausüben,
ziehen sich in den ökonomisch schwächeren Vierteln viele Menschen aus der demokratischen Teilhabe zurück. Das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013 ist deshalb auch in Berlin, gemessen an der Sozialstruktur der Bevölkerung, nicht repräsentativ.