Stadtbericht
Karlsruhe
Obwohl für Karlsruhe nur die Beteiligung an der Urnenwahl zur Verfügung steht, liegen dennoch fast 20 Prozentpunkte zwischen Oberreut und Hohenwettersbach. Doch nicht nur hinsichtlich der Wählerquote durchzieht eine Kluft die Fächerstadt: in den wahlmüden Stadtteilen finden sich rund viermal so viele Haushalte aus den ökonomisch schwächeren Milieus. Anderthalbmal so viele Menschen sind hier ohne Schulabschluss, die Arbeitslosigkeit ist zweieinhalbmal so hoch.
Mit 72,9 Prozent lag die Wahlbeteiligung in der Stadt Karlsruhe zwar leicht über dem Bundesdurchschnitt (71,5). Dennoch verbirgt sich auch in Karlsruhe hinter dem gesamtstädtischen Durchschnittswert eine stark ausgeprägte soziale Ungleichheit der Wahlbeteiligung, obwohl für diese Studie nur die Urnenwähler berücksichtigt werden konnten. Die Urnenwahlbeteiligung lag für die Gesamtstadt bei 52,9 Prozent. Eine Einbeziehung der Briefwähler hätte – wie die entsprechenden Analysen anderer Großstädte zeigen – die soziale Spaltung der Wählerschaft noch verschärft. Insgesamt zeigt sich auch für Karlsruhe: Während in gut situierten Stadtvierteln nach wie vor überdurchschnittlich viele Menschen ihr Wahlrecht wahrnehmen, sind die sozial schwächeren Stadtviertel die Hochburgen der Nichtwähler.
Wo die Nichtwähler wohnen ...
Am niedrigsten lag die Urnenwahlbeteiligung im südwestlich der Innenstadt gelegenen Oberreut, wo am 22. September 2013 deutlich weniger als die Hälfte aller Wahlberechtigten ihre Stimme abgab (44,8 Prozent). Neben der politischen gestaltet sich auch die soziale Lage schwierig: Vier Fünftel der hier ansässigen Haushalte gehören den sozial benachteiligten Milieus an, allein die Hedonisten machen mit rund 43 Prozent bereits fast die Hälfte aus. Das Bildungsprofil illustriert die prekären Zustände ebenfalls sehr deutlich: Während die (Fach-)Abiturquote auf dem stadtweit niedrigsten Wert von 17 Prozent liegt, ist gleichzeitig der Anteil der Menschen ohne Schulabschluss in keinem anderen Stadtteil der Fächerstadt höher (15 Prozent). Auch die Arbeitslosigkeit – von der etwa acht von 100 Erwerbsfähigen betroffen sind – stellt den Karlsruher Höchstwert dar und die Kaufkraft der Haushalte liegt mit 32.000 Euro weit abgeschlagen unter dem stadtweiten Durchschnitt. In der Mehrzahl findet man in Oberreut große Miets- und Hochhäuser vor, wohingegen kleinere Ein- bis Zweifamilienhäuser nur sporadisch anzutreffen sind.
Im östlichen Teil der Innenstadt fanden sich am Wahlsonntag ebenfalls nur 44,8 Prozent der Wahlberechtigten in den Wahllokalen ein. Die Lebenswirklichkeit gleicht hier in vielen Aspekten der Situation in Oberreut. Jeder vierte Haushalt zählt zum Milieu der Hedonisten, die größte Einzelgruppe wird jedoch vom Milieu der Expeditiven (30 Prozent) gestellt. Das Bildungsprofil gestaltet sich geringfügig positiver als in Oberreut, die Zahl der potenziellen Akademiker ist höher (22 Prozent) und der Anteil der Menschen ohne Schulabschluss etwas niedriger (elf Prozent). Die Arbeitslosigkeit bewegt sich dennoch in vergleichbaren Höhen und die Kaufkraft sinkt sogar auf 30.000 Euro ab. Noch deutlicher als in Oberreut wird das Stadtbild überwiegend von größeren Wohneinheiten mit mehr als zehn Parteien geprägt.
… wo die Wählerhochburgen sind …
Völlig andere Verhältnisse findet man im südöstlichen Stadtteil Hohenwettersbach vor: 64,2 Prozent aller Wahlbeteiligten gaben hier ihre Stimmen direkt vor Ort ab. Auch die soziale Lage könnte unterschiedlicher nicht sein: In Hohenwettersbach stellen die ökonomisch starken Milieus fast zwei Drittel aller Haushalte, die wirtschaftlich schwächeren Milieus sucht man hier jedoch meist vergeblich. Der größte Anteil an Haushalten entfällt auf die Konservativ-Etablierten (35 Prozent), gefolgt von den Liberal-Intellektuellen und den Sozialökologischen mit jeweils knapp 20 Prozent. Fast jeder zweite Bewohner des Viertels hat die Schule mit dem (Fach-)Abitur verlassen, nur ein geringer Anteil an Menschen beendet seine Schullaufbahn ohne jeglichen Abschluss. Im Umkehrschluss stellt auch die Arbeitslosigkeit in Hohenwettersbach nur ein geringes Problem dar, während die Kaufkraft deutlich über dem Karlsruher Durchschnitt liegt. Die überwältigende Mehrheit der Haushalte ist auf Ein- und Zweifamilienhäuser verteilt, größere Mietshäuser fehlen nahezu vollständig.
Im benachbarten Grünwettersbach gestaltet sich die Lage ähnlich. Bei einer Beteiligung an der Urnenwahl von immer noch hohen 60,7 Prozent gleicht die soziale Lage den Hohenwettersbacher Verhältnissen. Über die Hälfte der Haushalte ist auch hier den wirtschaftlich stärkeren Milieus zuzuordnen, wenngleich auch die Milieus des Bürgerlichen Mainstreams zahlreich vertreten sind. Die Konservativ-Etablierten (25 Prozent) und die Bürgerliche Mitte (20 Prozent) stellen die größten Einzelgruppen. Die Verteilung der Bildungsabschlüsse ist nahezu identisch mit dem Profil des Nachbarviertels. Bei einer Arbeitslosendichte von etwas über zwei Prozent stellt die Kaufkraft von 55.000 Euro alle anderen Karlsruher Stadtteile in den Schatten. Im Stadtbild überwiegen Ein- bis Zweifamilienhäuser sowie Mietshäuser von kleiner bis maximal mittlerer Größe.
… und wo die Wahlbeteiligung im Durchschnitt liegt
Im Durchschnitt liegt der Stadtteil Durlach, in dem 54,0 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme im Wahllokal abgaben. Die Milieustruktur weist keine dominanten Gruppen auf, 38 Prozent an Haushalten aus sozial prekären Milieus stehen 30 Prozent Haushalte aus den oberen Schichten gegenüber.
Das Bildungsprofil gestaltet sich ebenfalls ausgeglichener: Während etwa neun Prozent der Menschen keinen Schulabschluss haben, liegt gleichzeitig die (Fach-)Abiturquote bei mittleren 30 Prozent. Auch Arbeitslosigkeit und Kaufkraft entsprechen in etwa den Karlsruher Durchschnittswerten. Analog zur Milieustruktur weist auch die Bebauung keine Besonderheiten auf, selbst wenn ein leichter Hang zu Wohnhäusern mittlerer Größe feststellbar ist.
Fazit
Die Wahlbeteiligung ist auch in Karlsruhe – wie in allen anderen untersuchten Großstädten Deutschlands – sozial gespalten. Während in sozial besser situierten Stadtteilen überdurchschnittlich viele Menschen ihr Wahlrecht ausüben,
ziehen sich in den ökonomisch schwächeren Vierteln viele Menschen aus der demokratischen Teilhabe zurück. Das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013 ist deshalb auch in Karlsruhe, gemessen an der Sozialstruktur der Bevölkerung, nicht repräsentativ.