Wahlbeteiligung

Bremen

Innerhalb Bremens existiert ein demokratisches Gefälle von 36 Prozentpunkten zwischen höchster und niedrigster Wahlbeteiligung. Sinkt die Wahlfreude vor Ort auf Tiefstände, so verfünffacht sich im Schnitt die Arbeitslosigkeit, die Zahl der Menschen ohne Schulabschluss verdoppelt sich. Der Anteil der unterprivilegierten Milieus steigt im Vergleich zu den Wählerhochburgen auf das 16-fache.

Mit 69,9 Prozent lag die Wahlbeteiligung in Bremen zwar nur knapp unter dem Bundesdurchschnitt (71,5). Darüber hinaus verbirgt sich auch in Bremen hinter dem gesamtstädtischen Durchschnittswert eine erhebliche soziale Ungleichheit bei der Wahlbeteiligung. Während in gut situierten Stadtvierteln nach wie vor überdurchschnittlich viele Menschen ihr Wahlrecht wahrnehmen, sind die sozial schwächeren Stadtviertel die Hochburgen der Nichtwähler.

  • Tenever 50,1%
    Borgfeld 86,2%

  • Neue Vahr-Nord 52,7%
    Bürgerpark 84,4%

  • Bremen – Gesamtstadt 69,9%
    Gartenstadt-Vahr 69,5%

Wo die Nichtwähler wohnen ...

Am geringsten war die Wahlbeteiligung mit 50,1 Prozent im Stadtteil Tenever. Rund zwei Drittel der Haushalte sind hier den wirtschaftlich schwächeren Milieus zuzuordnen, allein die Hedonisten halten einen Anteil von knapp 40 Prozent. Neben den Milieus der Bürgerlichen Mitte (zehn Prozent) und der Sozialökologischen (16 Prozent) fehlen die sozial und ökonomisch besser gestellten Milieus der Oberschicht hingegen völlig. Bei den Schulabschlüssen überwiegen Hauptschul- und Realschulabschlüsse, die Zahl derer mit allgemeiner Hochschulreife liegt noch unter der Zahl jener ohne Abschluss. Nahezu jeder Vierte im erwerbsfähigen Alter ist von Arbeitslosigkeit betroffen. Entsprechend der prekären sozialen Lage wird das Gebiet mehrheitlich von Hochhaussiedlungen und großen Mietsblöcken geprägt.

Mit 52,7 Prozent liegt die Wahlbeteiligung in Neue Vahr-Nord nur unwesentlich höher. Entsprechend ähneln sich im Vergleich zu Tenever die sozialen Muster. Eine absolute Mehrheit der Haushalte kann dem Einzelmilieu der Hedonisten zugerechnet werden; gemeinsam mit Traditionellen und Prekären stellen die sozial benachteiligten Milieus rund vier von fünf Einwohnern. Mit Ausnahme der Bürgerlichen Mitte (rund ein Zehntel) verharren alle restlichen Milieus jeweils im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Fach- und allgemeine Hochschulreife kommen gemeinsam auf einen niedrigen Anteil von rund 15 Prozent, für rund 65 Prozent zeichnen dagegen Haupt- und Realschule verantwortlich. Die Zahl der Arbeitslosen ist deutlich überdurchschnittlich, die Kaufkraft pro Haushalt niedrig. Im architektonischen Gesamtbild herrschen große Wohnblöcke und Hochbauten vor.

Eine niedrige Wahlbeteiligung bei schwierigen Lebensverhältnissen findet sich auch in Stadt- und Ortsteilen wie Ohlenhof, Neue Vahr-Südwest oder Gröpelingen.

… wo die Wählerhochburgen sind …

Ein ganz anderes Bild dagegen ergeben die Verhältnisse im Ortsteil Borgfeld: Hier haben 86,2 Prozent der Wahlberechtigten ihr Kreuz gemacht. Auch die Milieus sind entgegengesetzt verteilt: Ein Viertel der Haushalte entfällt auf die Konservativ-Etablierten, jeweils rund 17 bzw. 14 Prozent auf Liberal-Intellektuelle und Performer. Neben einer starken Bürgerlichen Mitte von ebenfalls knapp einem Viertel und rund einem Achtel an Sozialökologischen sind Hedonisten, Prekäre und Traditionelle quasi nicht vertreten. Ebenso verteilen sich die Bildungsabschlüsse exakt konträr: Rund zwei Fünftel entfallen auf die Fach- und Hochschulreife, was einer einfachen Mehrheit entspricht. Arbeitslosigkeit ist in Borgfeld mit einem Wert von unter vier Prozent eher ein Randphänomen. Auch das verfügbare Einkommen spiegelt mit über 48.000 Euro je Haushalt eine sozial gehobene Lebenswirklichkeit vor Ort. Mehr als drei Viertel der Haushalte sind in privaten Ein- und Zweifamilienhäusern untergebracht.

Einem Höchstwert ebenfalls sehr nahe kommt die Wahlbeteiligung im Ortsteil Bürgerpark: 84,4 Prozent der Wahlberechtigten gaben hier ihre Stimme ab. In gesellschaftlicher Hinsicht wird die Wohngegend von einem hohen Anteil der Liberal-Intellektuellen (rund 37 Prozent) noch vor den Performern (ein Fünftel) und Konservativ-Etablierten (ca. 16 Prozent) geprägt. Die Milieus der Mittelschicht stellen eine Minderheit dar, während die ökonomisch schwachen Milieus in keiner Weise vertreten sind. In Sachen Bildung gehört der Bürgerpark zu den seltenen Ortsteilen, in denen die Inhaber der Fach- oder allgemeinen Hochschulreife mit rund 47 Prozent die Zahl der Real- und Hauptschulabsolventen überwiegen. Auch geht eine unproblematische Arbeitsmarktsituation Hand in Hand mit einer durchschnittlichen jährlichen Kaufkraft je Haushalt von immerhin über 38.000 Euro. Im Straßenbild um den Bürgerpark überwiegen kleinere bis mittlere Stadthäuser mit mehreren Parteien.

Auch in Stadt- und Ortsteilen wie Schwachhausen, Gete oder Habenhausen geht eine sehr hohe Wahlbeteiligung mit gehobenen Lebensverhältnissen einher.

… und wo die Wahlbeteiligung im Durchschnitt liegt

Im Bremer Durchschnitt liegt dagegen Gartenstadt-Vahr mit einer Wahlbeteiligung von 69,5 Prozent. Entsprechend zeigt sich das gesellschaftliche Bild eher durchmischt: Neben einem hohen Anteil der Bürgerlichen Mitte (über 21 Prozent) sind Traditionelle, Hedonisten, aber auch Konservativ-Etablierte im zweistelligen Bereich vertreten. Darauf folgt ein breites Spektrum von Liberal-Intellektuellen, Performern, Pragmatisch-Adaptiven, Sozialökologischen und Prekären im jeweils relevanten einstelligen Bereich (über fünf Prozent). 27 Prozent an Personen mit (Fach-)Hochschulreife treffen auf rund 28 Prozent Realschul- und rund 33 Prozent Hauptschulabschlüsse, womit sich das Bildungsspektrum ausgeglichen darstellt.

Die Arbeitslosigkeit wiederum ist im höheren einstelligen und somit im – relativ gesehen – mittleren Bereich angesiedelt. Bei der Bebauung wiederum besteht ein leichtes Übergewicht zugunsten mittlerer Wohnhäuser.

Auch in Stadt- und Ortsteilen wie Utbremen, Hastedt oder Gartenstadt-Süd liegt die Wahlbeteiligung recht nah am städtischen Durchschnitt, während das Sozialprofil ausgeglichen ist.

Fazit

Die Wahlbeteiligung ist auch in Bremen – wie in allen anderen untersuchten Großstädten Deutschlands – sozial gespalten. Während in sozial besser situierten Stadtteilen überdurchschnittlich viele Menschen ihr Wahlrecht ausüben,

ziehen sich in den ökonomisch schwächeren Vierteln viele Menschen aus der demokratischen Teilhabe zurück. Das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013 ist deshalb auch in Bremen, gemessen an der Sozialstruktur der Bevölkerung, nicht repräsentativ.